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>> Auf dem Weg zurück ins Studentenwohnheim machte ich noch einen Ausflug in den nahe gelegenen Garten. Dass es schon dämmerte war mir gerade Recht, da ich lieber etwas Ruhe wollte und zu viele Leute um mich rum im Moment auch nicht gebrauchen konnte. Ich setzte mich auf eine Bank und zog meine Jacke zu. Es war auf einmal so kalt geworden, ich fror regelrecht. Ich blickte mich in der Gegend um und seufzte leise. Ich war gerne in der Natur. Der Ort in dem ich vorher gelebt hatte, war vielleicht nicht gerade die typische amerikanische Großstadt gewesen, aber im Vergleich hierzu war es beinahe eine Metropole. Wenn ich nach etwas Ruhe gesucht hatte, war ich immer in den Zoo oder auf den Friedhof gegangen. Mir egal, ob das komisch war oder untypisch für ein siebzehnjähriges Mädchen. Meine Mutter war eine sehr liebevolle und fürsorgliche Frau. Sie hat mir genügend Freiheiten gelassen und ist mir nie wirklich auf die Nerven gegangen. Trotzdem war ich ein Mensch dem schnell alles zu viel wurde. Mir gefielen die einfachen Dinge im Leben und in Roanoke bin ich meistens nur mit dem Kopf auf den Boden gerichtet umhergelaufen. Wie ein flüchtendes Tier lief ich durch die vollen Gassen, die Kapuze auf dem Kopf und die Haare im Pulli versteckt, damit mich auch wirklich niemand erkannte. Warum das so war, konnte ich mir selber nicht erklären. Im Prinzip hatte ich nichts gegen Menschen an sich. Vielleicht gefiehl es mir nur einfach besser, sie aus der Ferne zu beobachten. Ich schüttelte den Kopf und versuchte auch meine Gedanken abzuschütteln. Jetzt war ich hier, hatte meine Ruhe, konnte mein Studium abschließen und dem Leben und den Menschen noch einmal eine neue Chance geben. Ich lächelte ein wenig und schloss die Augen einen Moment lang.


Es war ganz nett gewesen sich mit Rachel zu unterhalten, aber als die ganzen anderen dazu gekommen waren hatte ich mich, unter dem Vorwand mal telefonieren zu müssen, verzogen. Sie kannten sich schließlich alle untereinander und hatte einiges zu bereden, da wollte ich nicht stören, schließlich konnte ich da nicht mitreden. Auch, wenn ich nur ein Jahr weg gewesen bin, kommt es mir vor als wären Jahrzehnte vergangen. So viel hat sich verändert, was mir jetzt erst bewusst wird.
Ich schlendere durch den dunklen Park. Lediglich ein paar schwache Laternen beleuchten den Weg und geben der ganzen Situation einen unheimlichen Touch. Ich hole meinen Tabak auf meiner Tasche und beginne mir eine Zigarette zu drehen. Eine schlechte Angewohnheit das rauchen und ich tue es viel zu viel. Meistens, wenn ich irgendwo hin gehe oder warte. Da passt es immer gut eine zu rauchen. Meine Kippe ist fertig und erst jetzt fällt mir auf, dass ich mein Feuerzeug habe liegen lassen. Na toll jetzt muss ich noch mal zurück um es zu holen und mich dann wieder rausreden.
Im Augenwinkel sehe ich einen Schatten und erschrecke erst leicht ehe ich bemerke, dass es eine junge Frau ist. °Vielleicht hat sie ja ein Feuerzeug°, geht es mir durch den Kopf, also laufe ich auf sie zu.
"Entschuldigung, hast du vielleicht ein Feuerzeug?", frage ich und lächele sie an. Sie hat ihre Jacke eng um sich gezogen und wirkt leicht abwesend, aber vielleicht will sie auch einfach nur alleine sein. Naja lange belästige ich sie ja nicht.


Ich bemerkte erst recht spät, dass ein Fremder neben mir stand. Vermutlich war er auch ein Student. Ich blickte ihn an, etwas beschämt, weil ich so spät reagierte. Er hatte mich nach einem Feuerzeug gefragt. Leicht kniff ich die Augen zusammen und versuchte einzuschätzen, ob das eine billige Anmache sein sollte. Als ich allerdings den hilfesuchenden Blick in seinem Gesicht fand, musste ich doch eher schmunzeln. Vermutlich war er starker Raucher, hatte sein Feuerzeug verloren und es kostete ihn ohnehin schon einen Haufen Überwindung einen Fremden anzusprechen. Ich öffnete die Seitentasche von meinem Rucksack und hielt ihm mein blaues Feuerzeug hin. "Tut mir Leid, ich hab dich gar nicht bemerkt, ich war so in Gedanken gerade..." Ich lächelte ihn entschuldigend an. "Klar kannst du meins benutzen."


Sie kneift die Augen zusammen und sieht mich leicht misstrauisch an, ich denke schon, dass sie weg rennt, weil sie mich für einen Irren hält, aber dann kramt sie kurz in ihrer Tasche und reicht mir ein blaues Feuerzeug.
"Danke", sage ich und nehme es lächelnd entgegen. "Ich schaffe es irgendwie immer wieder mein Feuerzeug zu verlegen", ich zünde mir meine Kippe an und gebe ihr das Feuerzeug wieder.
"Was dagegen, wenn ich mich neben dich setze?", normalerweise würde ich es einfach tun, aber sie wirkt nicht so als wäre sie gerne in Gesellschaft, also frage ich lieber.


Als ich das Strahlen in seinen Augen sah nachdem er einen Zug von seiner Zigarette genommen hatte, war ich mir schon fast sicher, dass ich Recht hatte und er sein Feuerzeug verloren hatte. Als er meine Vermutung noch bestätigte und zugab, dass er etwas vergesslich ist, lachte ich in mich hinein. Ich musste echt aufhören, so misstrauisch zu sein. Nur weil ich schlechte Erfahrungen mit Menschen gemacht hatte- insbesondere mit Männern- bedeutete das ja nicht gleich, dass jeder auf dieser Welt ein Arschloch war. Als er mich freundlich fragte, ob er sich neben mich setzen durfte, lächelte ich kurz und nickte dann. "Hmm kannst du machen...Was rauchst du denn für welche, wenn ich fragen darf?" antwortete ich ihm.


Ich setze mich neben ihr auf die Bank und lächele sie an während ich den Rauch ausatme. "Selbst gedrehte", antworte ich und lächele sie an.
Ich bin echt froh Jemanden mit einem Feuerzeug gefunden zu haben und ich musste sogar nur eine Person fragen, was echt super ist. Sonst wäre ich hier weiter wie ein Idiot rum gerannt.
"Rauchst du auch?", frage ich, denn Nichtraucher interessieren sich meistens nicht für Zigarettenmarken. Was sollen sie auch damit anfangen, schließlich können sie nicht beurteilen was es heißt, wenn man Beispielweise 'Marlboro' raucht.
Ich lehne mich gegen die Rückseite der Bank und gucke in den Himmel. Viel kann man nicht sehen, weil die Bäume einem dem Blick versperren, aber zum Glück ist es so dunkel, dass sie Sterne hell leuchten.


Etwas dumm kam ich mir nach seiner Antwort jetzt schon vor. Hätte ich etwas darauf geachtet, wäre mir das ja auch selber aufgefallen, dass das eine selbst gedrehte Zigarette war. Der Rauch zog zu mir rüber und ich biss mir kräftig auf die Lippen. Verdammt, ausgerechnet heute hatte ich natürlich meine Zigaretten in meinem Zimmer liegen gelassen. Ich beobachtete ihn dabei, wie er sich entspannt nach hinten fallen lassen lies und zu den Sternen sah, bevor ich auf seine Frage antwortete. "Ja...Naja nein...Also manchmal," gab ich lachend zurück. "In letzter Zeit ist mir so viel Mist passiert....Da tut ein bisschen Ablenkung ganz gut". Ich beobachtete ihn immer noch wie er an der glühenden Zigarette zog und ich musste zugeben, dass das Rauchen ihm wirklich stand. Es sah gut aus, wie er rauchte. Um nicht noch mehr durchzudrehen, sah auch ich jetzt in den Himmel.
Der Abendhimmel übte etwas beruhigendes auf mich aus. Wenn ich besonders traurig oder verzweifelt war, tat es mir immer gut nach oben in den Himmel zu sehen und die leuchtenden Sterne zu beobachten. Mir fiel dann jedesmal wieder auf, wie wahnsinnig klein ich doch war im Vergleich zum Weltall und wie viele andere Menschen es doch auf der Welt gab, die bestimmt viel schlimmere Probleme als ich hatten. Immerhin war ich ja noch am Leben und erstmal in Sicherheit. Ich lächelte ein wenig. Natürlich gab es auch Tage an denen kein einziger Stern zu sehen war. An denen die Nacht komplett schwarz war. Umso schöner, wenn man so viele wie jetzt gerade am Himmel entdeckte.


Als sie mir antwortet blicke ich sie an. "Du siehst gar nicht so aus als würdest du rauchen...Willst du vielleicht eine?", antworte ich lächelnd, weil ich merke, dass sie auch eine rauchen will und, wenn sie ihre dabei hätte, hätte sie sich schon längst eine angesteckt.
"Was ist denn so für Mist in deinem Leben passiert?", frage ich interessiert und gucke ebenfalls wieder in den Himmel, der so unglaublich weit wirkt.
Früher, als kleines Kind, dachte ich immer, dass man bis zum Himmel fliegen kann und dann da Schluss ist, aber mittlerweile ist mir -selbstverständlich- bewusst, dass dem nicht so ist. Aber gerade das fasziniert mich immer noch. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass der Himmel, also das Universum, ewig zu weiter geht. Irgendwann musst doch das Ende sein, oder?


Ich schaute ausweichend nach unten, als ich seinen Kommentar hörte. Wenn man den Leuten alles ansehen würde, was in ihnen vorgeht, wäre das auch ein einfach Leben, dachte ich mir. "Gerne, aber ich kann nicht drehen," gab ich etwas zerknirscht zurück. Während wir beide weiterhin gedankenverloren in den Himmel blickten, hörte ich seine Frage. Ich wog meinen Kopf hin und her und suchte nach einer passenden Antwort
und einem Anfang. Diesem Fremden konnte ich unmöglich meine ganze Vergangenheit mit einem Mal an den Kopf knallen. Dann hätte ich hier schneller einen Ruf weg, als ich überhaupt denken konnte. Außerdem war ich mir auch gar nicht sicher, wie viel ich überhaupt sagen DURFTE.... Ich räusperte mich. "Ach... Das ist so ein Familiendrama," sagte ich. "Meine Mutter hat einen Mann kennen gelernt und der schien zu Anfang auch ganz nett, aber..." ich stockte. "Es hat sich rausgestellt, dass er etwas...schwierig ist." Obwohl ich alles gesagt hatte, was ich sagen wollte, überlegte ich noch etwas hinzuzufügen. Ich starrte auf den Boden, als ob dort die Antwort stehen würde, dann schüttelte ich kurz den Kopf, schluckte und wand mich zu ihm. Ich sah wieder zum Himmel rauf. "Meinst du, der Himmel sieht überall und für jeden so schön aus? Ich kann mir gar nicht vorstellen, das irgendjemand das nicht schön finden würde," sagte ich ruhig.


"Kein Problem, ich dreh dir eine", meine ich und hole mein Drehzeug raus bevor ich erneut an meiner Zigarette ziehe. Mit der Kippe ind er Hand ist es gar nicht so einfach zu drehen, aber ich bekomme es hin und überreche ihr die Zigarette lächelnd.
Ich merke wir es ihr schwer fällt auf meine Frage zu antworten und beschließe nicht weiter nach zu fragen. Würde sie mich über mein ganzen Leben aushorchen würde ich mich genauso verhalten. Welchen Fremden geht denn auch meine Vergangenheit etwas an?
"Ich denke die meisten wissen ihn einfach nicht zu schätzen. Der Himmel ist schließlich immer da und etwas, was immer da ist wird zur Selbstverständlichkeit", erkläre ich und ziehe an meiner Kippe.
Auf einmal piepst mein Handy, eine Erinnerung springt auf: 'Nathalia!', steht da lediglich, doch ich weiß was das bedeutet. "War echt nett dich kennen zu lernen Willow. Es ist schon spät, ich denke ich muss jetzt los. Vielleicht sehen wir uns ja nochmal", ich lächele sie freundlich an und gebe ihr nochmal die Hand ehe ich aufstehe und gehe.


"Ja...Aber was ist schon immer da...Nicht viele Dinge," sagte ich gedankenverloren zu ihm. Ich bekam den Rauch ab der zu mir hinüberwehte und zündete jetzt auch meine Zigarette an. Der Tabak war ganz schön stark aber ich freute mich trotzdem über meine Beruhigungszigarette.
Als er auf sein Handy sah, wurde er plötzlich blass und verabschiedete sich eilig. Es sah so aus, als hätte er eine wichtige Verabredung vergessen und ich zog die Stirn kraus. Ich fand es irgendwie schade, dass er so schnell weg musste, er wirkte eigentlich ganz nett. "Hat mich auch gefreut, bestimmt sehen wir uns. Bis dann!," ich gab ihm die Hand und wendete mich dann wieder dem Himmel zu.
Ich beschloss noch einen Moment lang auf der Bank sitzen zu bleiben und meine Gedanken zu ende zu denken. Fasziniert sah ich die Sterne an.
Es sah ein bisschen so aus als sie würden sie tanzen. Hier in South Vale waren die Straßen ganz anders als sie in Roanoke waren.
Überhaupt war hier alles anders als ich es kannte. Aber der sternenklare Himmel.... weckte Erinnerungen in mir auf und ließ mich leicht schmunzeln. Ich hatte nicht immer nur Pech gehabt. Vielleicht war der Grund warum ich die Stadt verlassen musste nicht so schön, aber der dunkle Abendhimmel hatte eine so beruhigende Anziehungskraft, dass ich der festen Überzeugung war, dass meine Portion Unglück für die nächste Zeit erstmal aufgebracht war. Ich schmunzelte, ehe ich mich auch auf den Weg machte und den Garten verlies.
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